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Norwegen 2020 war an Dramatik kaum zu überbieten

Den Plan, nach zwei Jahren mit den Zielen Irland und Schottland, wieder nach Norwegen zu reisen, fassten wir schon 2019 und hatten da auch bereits die Fähren gebucht. Anfang 2020 war Covid noch ein Problem auf einem anderen Kontinent, unvorstellbar, dass es auch Deutschland erreicht. Denn Rest kennt Ihr.

Was das Reisen, speziell auch nach Norwegen betrifft, las man in den einschlägigen Foren, wie viele Norwegenliebhaber zutiefst enttäuscht, nicht fahren durften. Wir haben immer versucht, nicht zu viel darüber nachzudenken, ob wir dürfen oder nicht und waren wild entschlossen, notfalls Reisealternativen zu finden. Unsere Fähre sollte Anfang August gehen. Die Zahlen waren Anfang des Sommer recht entspannt, aber mit den Reiserückkehrern stiegen sie schneller an, als uns lieb war. Norwegen, ein Land, das selbst wenig Erkrankte hatte, schloss nach und nach andere Länder von der Einreise aus. Jeden Tag riefen wir die Seite mit den norwegischen Risikogebieten auf, grüne Länder gab es kaum noch, einige waren orange als Risikogebiet gekennzeichnet und die meisten schon rot für Einreiseverbot. Jeden Tag schauten wie mit einem einem Knoten im Magen und unerschütterlicher Hoffnung im Herzen.

Dürfen wir Einreisen?

Kurz vor Reisebeginn dann wurde auch Deutschland als letztes Land, als Risikoland eingestuft, noch ohne Quarantänepflicht. Da die Ankündigungen immer drei Tage im Voraus kommen, gilt diese Einstufung offiziell ab dem 15.08., unsere Fähre geht am 17.08. Wenn in der Zwischenzeit die Quarantänepflicht ausgerufen wird, sollte uns das, - so die Hoffnung - nicht mehr betreffen. Dänemark dürfen wir nur durchfahren, ohne zu übernachten, also haben wir kurzfristig umgeplant, um in zwei Etappen durch Deutschland zu fahren, um so kurz vor die dänische Grenze zu kommen und dann in einem Rutsch durch Dänemark an die Fähre zu fahren.

Unser Eintrag aus dem Reisetagebuch: Gestern ging es also los, mit bangem Hoffen, die Familie fragt noch ganz hämisch, ob ich meinen Ausweis auch dabei habe...(Anmerkung der Red.: Vor zwei Jahren hatte ich denselben bei einer Irlandrundreise nicht dabei) und wir verbringen die erste Nacht ruhig, aber unterschwellig angespannt, wie eine schwingende Violinsaite, in der Lüneburger Heide.

Heute nun stehen wir am Schleswiger Hafen und trinken im Schattenplätzchen unseren Kaffee, essen unseren Kuchen, sind einigermaßen zuversichtlich, es noch rechtzeitig über die Grenzen zu schaffen und aus dem Nichts spüre ich, wie Sascha sich anspannt und sogleich erfahre ich warum: "Ich hab' meinen Ausweis nicht dabei." Kurz denke ich, er will mich aufziehen, eine kleine Revanche für 2018, merke aber schnell, dass es Ernst ist! Ja - und so sitzen wir heute Abend am Hafen, ich schreibe diese Sätze bei Kerzenschein und Wein, da draußen spielt jemand Gitarre und hat schon einige Zuhörer um sich versammelt und es könnte alles sooo schön sein. Unser vager Plan ist, morgen einen Ersatzausweis aufzutreiben, die norwegischen Fährgesellschaften sollen sehr streng sein. Ein Trost bleibt: Sascha muss nur über zwei Grenzen, nicht wie ich 2018 auf der Irlandreise über vier!

Folge 2 des Folterdramas mit spektakulären Einlagen folgt:

Am Sonntagmorgen haben wir erst einmal unsere liebe Tochter, die ja schon Erfahrung mit dieser Vorgehensweise hat, aus dem Bett geworfen. Ausweis gefunden, fotografiert und uns zugemailt. Der überaus freundliche Hafenmeister am Schleswiger Hafen hat gute Ausdrucke davon gemacht. Das war die halbe Miete. Da nun Sonntag war, hatten alle Rathäuser natürlich zu. Wir also mit den Ausdrucken zur Polizei und haben neben Witzen auf unsere Kosten, auch einen Stempel auf die Ausweiskopie erhalten. Keiner wusste, ob das irgendeinen Sinn macht, sah jetzt auch eher wie ein Fahndungsplakat aus, aber wir mussten nehmen, was wir bekamen und machten uns einigermaßen zuversichtlich auf den Weg. Nun hat ein Drama ja immer mehrere gruselige Handlungsstränge und um dem gerecht zu werden, ereilte uns etwa in der Mitte Dänemarks eine Mail, die da sagte, dass unsere Fähre am nächsten Tag gecancelt würde!

STILLE - FASSUNGSLOSIGKEIT - LEUGNUNG - WUT - HANDLUNGSDRANG: Anruf - mit dem Erfolg einer Bandansage; wir öffnen Montag morgen... - die Fähre sollte am Sonntag gehen. - Mail - unbeantwortet - alternative Fähre: 600 €.

Laut der Mail der Fährgesellschaft würde man uns anrufen, um eine Umbuchung oder Stornierung vorzunehmen... Ihr seid jetzt alle sicher froh, dass Ihr nicht bei uns im Auto wart! Wir haben dann die Adresse des Fährhafenbüros vor Ort online gefunden. Ohne diese Adresse wären wir nie diese Straße gefahren, aus Angst, den langen schmalen Weg zurücksetzen zu müssen. Nun stand ja was auf dem Spiel, wir fuhren zu dieser Adresse und tatsächlich, da war ein Büro und auch die Möglichkeit zum Parken und Wenden.

Dort stellte man uns wieder die unverzeiliche Frage nach einer Stornierung. NEIN! Also Warteliste morgen... Meinen Hauptcharakterzug würden die meisten Menschen, die mich kennen, sicher als freundlich bezeichnen, doch auch ich komme hin und wieder an die Grenzen meiner Besonnenheit und unterbreche die freundliche, aber leider viel zu gleichgültige Dame, ob wir uns nIcht bei der 6 pm Fähre in die Line stellen können. Und so wurde es gemacht, auch wenn diese Fähre umständehalber 3 Stunden Verspätung hatte! Als sich die Schlangen endlich zum Boarding begeben durften, wurden wir auf einen Platz verwiesen, wo wir allen anderen Autos gegenüber standen!

Wer schon einmal mit der Fähre nach Norwegen gefahren ist, kennt diese obercoolen Einweiser, die ohne jede Regung mit winzigen Fingerzeigen diese Automassen bewegen. Die Situation erinnert ein klein wenig an Schüler und strenger Lehrer. Hier und heute aber haben diese begnadeten Einweiser Autopuzzle gespielt! Jedes Wohnmobil nach Länge und Höhe platziert, die Autos haben die Reihen aufgefüllt, weiter ging's mit Motorrädern und die nächste Reihe wieder mit zwei großen Fahrzeugen begonnen, bis am Ende nur wir noch da standen. Wir konnten uns nicht vorstellen, dass wir auch noch draufpassen. Wir konnten uns nicht vorstellen, dass man uns jetzt noch wegschickt. Ich weiß nicht, ob wir eigentlich geatmet haben.

Und dann: Was für ein kleiner aber schicksalsträchtiger Wink; wir wurden nicht weggeschickt, sondern durften auffahren: Rückwärts;(!) auf den letzten verbliebenen Platz, unbedeutend größer als unser Swebmobil! Wie gut, dass Sascha ein geübter Fahrer ist! Klappe zu, wir fahren! Wir fahren TATSÄCHLICH nach Norwegen und zwar einen Tag früher, als geplant! Es war eine lange, eine kalte und nasse - draußen wegen der Ansteckungsgefahr - eine späte, aber eine überaus glückliche Fahrt.

Eine Showeinlage gab es auch noch:

Ein Militärhubschrauber flog auf uns zu, öffnete seine Tür und stand mehrere Minuten lang über uns, winkte zum Abschied und hat Sascha nicht mitgenommen! Wir kamen um Mitternacht in Kristiansand an und durften schon, bevor die Fähre zum Stehen kam, zu den Autos. Bereits vor der Ankunft wurde die Luke geöffnet und wir konnten von Swebi aus die Wellen und die Gicht im Hafen im Abendlicht sehen, die anliegenden Schiffe und Hafengebäude beleuchtet, spektakulär anzusehen und wir waren mehr als versöhnt, wir waren angekommen!

Nach diesem unglaublich langen und kräftezehrenden Tag gilt ganz klar die Regel, stehen bleiben, um die Fahrtüchtigkeit wiederzuerlangen. Und so wachen wir am ersten wirklichen Urlaubstag am Hafen im warmen morgendlichen Sonnenlicht auf. Zwei Königskinder und ein SWEBmobil machen sich auf, durch die Straßen Norwegens und schauen auf die Umgebung noch intensiver und freudiger, als bei der allerersten Norwegenreise. Unsere Fahrt geht vorbei am Lindesnes Leuchtturm und wir bestaunen die Landschaft, als wären wir noch nie hier gewesen. Vieles hat sich verändert, einiges an Wald wurde abgeholzt, ein riesiges Bauvorhaben für eine neue Umgehungsstraße begleitet uns über viele Kilometer und dazwischen immer wieder wunderschöne Landschaft. Und das Beste ist, wir wissen, es wird noch viel schöner.

Wir sind von Anfang an dadurch, dass wir 'zu früh' aber doch mitten in der Nacht ankamen, nicht ganz planmäßig unterwegs. So kommt es, dass wir uns einen anderen Übernachtungsplatz als geplant suchen müssen. Den nächsten, der uns entgegenkommt, möchten wir nehmen und siehe da, es ist nicht das erste Mal, dass wir hier übernachten. Allerdings sind fast alle Plätze belegt und, wie uns nun zum ersten Mal auffällt, fast ausschließlich von Norwegern. Wir fühlen uns ein wenig beobachtet beim Aufstellen und Anschließen, sind noch nicht so ganz richtig 'angekommen'. Die Plätze in erster Reihe sind wie immer die schönsten und wie immer belegt, so mittendrin macht es nicht ganz so viel Spass. Aber in den eigenen vier Wänden essen, ist dann doch wieder so unendlich vertraut. Zu diesem Zeitpunkt wissen wir ja noch nicht, dass wir es in diesem Urlaub so voll nicht wieder antreffen werden.

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